Am Morgen des Siebten Tages in der Dekade des Götterfalken Bjakko herrschte reges Treiben im Zentrum des Dorfes, denn der Hohepriester der Älteren Götter war verstorben. Die Angehörigen der zwei im Dorfe ansässigen warskogedischen Clans, Crorstzar und Jattruin, die unfreien Knechte und Mägde, alle waren mit den Vorbereitungen für das Totenfest und die anschließende Wahl eines Adepten zum neuen Hohepriester beschäftigt.
Einige Männer setzten die steinernen Feuerkreise wieder in Stand und schichteten Holz auf, andere übten sich im Schwerttanz, der zur Ehre des Toten aufgeführt werden sollte. Die Frauen bedeckten den Boden dicht mit Stroh, darüber legten sie Felle. Es war kalt und würde noch kälter werden, aber diesen Tag würden die Menschen von Njoerhug wohl draußen verbringen müssen.
Fjardi, der älteste Sohn des Schmiedes, ein Hüne von einem Mann, war völlig in das Spiel mit seinem ersten Spross vertieft. Er wiegte das Baby in seinen Armen und küsste es, während er über den Platz streifte. Der kleine Prinz hatte aufgehört zu schreien, so dass Fjardi die Suche nach seiner Frau fast vergessen hatte. Jemand rüttelte an ihm.
„Fjardi Crorstzar, Sohn des Gotwini,… hey, wie geht es dem kleinen Odaran heute?“
Der Krieger blickte Gundel in die Augen. „Es geht ihm gut. Ich schulde Dir meinen Dank.“
Sie hatte bei der Geburt geholfen, Sie war die beste Amme im Dorf und die Familien des mächtigsten Clans der Gegend versicherten sich vor und bei Geburten stets ihres Rates und ihrer Dienste.
„Du schuldest mir nichts, Fjardi“, für einen kurzen Moment wünschte sie sich, dass er ihr etwas schulde, verscheuchte diesen Gedanken aber schnell, „schließlich habt ihr mich reich entlohnt.“
„Das Leben eines so schönen Jungen ist unbezahlbar.“
Irbiga, Fjardis Frau kam verschwitzt aus der Küche des Häuptlingshauses zurück, wischte sich die Hände an einer Schürze ab, nahm das jetzt wieder schreiende Bündel zärtlich in ihre Arme und verschwand damit, Gundel vage zunickend im Haus des Schmieds.
„Fjardi, trotzdem Du mir nichts schuldest, bitte ich Dich um einen Gefallen. Ich brauche ein Schwert.“ Gundel setzte ihre willensstärkste Miene auf und sah den Krieger bedeutungsvoll an.
„Du weißt, dass Du kein Schwert führen darfst, Du… bist eine Clanlose.“
„Schon bald werde ich nicht mehr hier sein und dann wird es keine Rolle mehr spielen, ob ich dies oder das bin. Frag mich nicht wo hin ich gehe und frage nicht wann. Es wird schon sehr bald sein, vielleicht morgen.“
Gundel wünschte sich, dass ihr jetzt die Tränen kämen um den dramatischen Effekt ihrer Rede zu betonen, empfand aber eher Freude als Trauer ob des Abschieds. Als sie aber darüber nachdachte, bemerkte sie, dass sie in ihrer Vorstellung stets mit Yrdokaan weggegangen war. Was war, wenn er nicht mitkommen konnte, oder er es gar nicht wollte?
Fjardi wirkte zunächst etwas verwirrt, aber er war nicht der Mann, der dieser schönen Frau etwas abschlagen konnte. Er und Yrdokaan hatten schon als kleine Kinder zusammen mit Gundel gespielt; bereits damals bekam sie scheinbar mühelos das, was Sie wollte. Zusammen stiegen beide in die große Schmiedehalle unter dem Gotwinihof hinab.